Walfang auf der Insel Föhr

Die Entwicklung des Walfangs

Die Ursprünge des Walfangs liegen im Nebel der Mythologie verborgen. Genaueres über den Fang der Wale überliefern die Berichte der Basken, die bereits im frühen Mittelalter in der Biskaya den Nordkaper, den nächsten Verwandten des Grönlandwals, jagten. Später dehnten die Basken ihre Fangtätigkeit über den ganzen Nordatlantik aus. In 1578 wurden über 300 baskische Walfangschiffe vor Neufundland verzeichnet. Die Technik des Fangs, die Bezeichnungen für die Fanggeräte - das Wort Harpune ist abgeleitet vom baskischem Wort "Arpoi" - die Trankocherei, die Fangrechte früherer Zeiten und Vorläufer des späteren sogenannten "Grönländischen Rechts": Alles dies stammt von den Basken, in deren Land längs der Küste noch heute Reste der ehemaligen Ausgucktürme stehen, von denen aus das Herannahen von Walen signalisiert wurde. 

Walfänger "De Hoop op de Walvisvangst"

Gegen 1600 suchten sowohl Engländer als auch Holländer vergebens nach einer Nordostpassage als den kürzesten Weg zum Fernen Osten. Stattdessen stieß man auf Unmengen von Walen. Schon bald fuhren erfolgreiche Fangschiffe unter dem Kommando sachverständiger Basken in die Gewässer von Spitzbergen, das man irrtümlich als Grönland ansah. Nordfriesen verrichteten anfangs nur die einfachen Aufgaben an Bord. Die Franzosen versuchten, die erfolgreichen Holländer zu behindern; 1634 verbot der französische König seinen baskischen Untertanen, für holländische Rechnung als Walfänger zu fahren. Diese Maßnahme der Franzosen eröffnete den Nordfriesen den Aufstieg in die höheren Positionen an Bord wie Commandeur , Steuermann , Harpunier oder Speckschneider.

Der Fangbetrieb war zunächst eine reine "Baienfischerei". Angesichts der ungeheuren Mengen angetroffener Wale wurde die für eine erfolgreiche Reise erforderliche Anzahl von Tieren in kurzer Zeit in den Buchten von Spitzbergen erlegt. Sodann wurde daselbst in Trankochereien der insbesondere zu Beleuchtungszwecken so begehrte Tran gewonnen. Infolge der intensiven Bejagung nahm in der Folgezeit die Zahl der Wale in den Buchten so rapide ab, dass sich der Fangbetrieb in die offene See und ins Treibeis verlagerte. Etwa um 1650 begann die sogenannte "See- und Eisfischerei", die für die gesamte nun folgende Ära des europäischen Walfangs zum typischen Fangbetrieb werden sollte.

Die Jagd nach dem Wal wurde nun weitaus mühevoller und gefährlicher als in den fetten Jahren der Baienfischerei. Hinzu kam, dass nun auch die Beute auf See verarbeitet werden musste, wobei das "Flensen", also das Abspecken der harpunierten Wale, meistens längsseits der Schiffe an Backbordseite (links) geschah.

Der Grönlandwal war Fangobjekt des historischen arktischen Walfangs. Denn er war ein langsamer Schwimmer, und seine Speckschicht von 25 - 40 cm ließ den Kadaver des erlegten Tieres auf dem Wasser treiben. Der Grönlandwal erreicht eine Länge von 18 Metern und einen Umfang von 12 - 15 m. Der klobige Kopf nimmt 1/3 der gesamten Körperlänge ein. Die Zunge ist etwa 5 m lang, 3 m breit und 2 m hoch; sie wiegt gut 80 Zentner!

Föhr und die Walfängerzeit

Die Nordfriesen hatten sich mit sehr großem Erfolg an der arktischen Fischerei beteiligt; über viele Jahrzehnte waren bis zu 90% der männlichen Bevölkerung von Föhr vom Frühjahr bis zum Herbst auf Walfang.

Der bekannteste und erfolgreichste Commandeur von Föhr ist Matthias Petersen aus Oldsum. Es gelang ihm, innerhalb einer Gesamtfangzeit von 50 Jahren, 373 Wale zu erlegen. Er wird allgemein als der "Glückliche Matthias" bezeichnet. Seine gewaltige Grabplatte steht südlich von der St. Laurentii Kirche in Süderende.

Gegen 1800 wechselten viele Männer zur Handelsschifffahrt; andere blieben nach der Landumlegung - auf jetzt eigenem Boden - als Bauern auf der Insel Föhr.

Grabstein des "Glücklichen Mathias"

Jagd auf den Wal

Jetzt zum Walfang: Der Ausguck, der in einer Tonne hoch oben im Mast saß, suchte den Horizont nach dem "Blas" von Walen ab. Dieser "Blas" ist nichts anderes als der in der kalten Luft kondensierte Wasserdampf der aus den Lungen ausgestoßenen warmen Atemluft. Sobald er einen erblickte, rief er: "Wal! Wal! Överall!" seinen Kameraden zu. Sofort wurden 4 Schaluppen zu Wasser gelassen.

Häufig musste man stundenlang rudern, ehe man den Wal erreicht hatte. Der vorn stehende Harpunier dirigierte die schlanke Schalupe vorsichtig und so leise wie möglich an den Wal heran. Dann warf er aus einer Entfernung von nur 2 bis 4 Metern seine Harpune, die sich mit ihren Widerhaken im Speck festbiss. War der Wal "fest", entfernten sich die Seeleute schleunigst, um nicht von den Schwanzschlägen des verletzten Wales getroffen zu werden. - So manche Schaluppe war vom Schlag der Fluke (Schwanzflosse) zertrümmert worden, und die Mannschaft ertrank schnell im eiskalten Wasser. - Nun musste man hoffen, dass die Harpunenleine, die rasend schnell von einer Rolle im Vorderboot lief, nicht riss.

Dann begann die sogenannte "Grönländer Schlittenfahrt". Der verwundete Wal schoss unter Wasser davon, die lange Leine mit der Schalupe hinter sich herziehend. Kam der Wal nach langem Tauchen wieder an die Oberfläche, um Atem zu schöpfen, wurden ihm mit den langen Lanzen , die die Speckschicht durchbohrten, die tödlichen Stiche beigebracht. Mit Hilfe mehrerer Schalupen wurde der erlegte Wal zum Mutterschiff geschleppt. Nachdem ihm die gewaltige Schwanzflosse abgeschlagen war, wurde der Wal zum Flensen seitwärts festgemacht. Die Speckschneider trugen, um Halt zu haben, spitze Eisen unter den Stiefeln. Mit großen Messern lösten sie den zu- weilen 40 cm dicken Speck in Streifen ab. An Deck wurden diese zerkleinert und in Fässer verpackt. So wurde der Speck zum Ausbrennen in die Heimat gebracht. Hier lagen die Tranbrennereien wegen ihres Gestanks weit weg von menschlichen Siedlungen. Der Speck wurde in kupferne Pfannen gefüllt und ein Holzfeuer darunter entfacht. Der kochende Tran wurde 2 - 3 Stunden immerzu umgerührt. Dann wurde er ausgeschöpft und in kaltes Wasser gekippt. Der gute, wertvolle Tran schwamm oben, der dicke, auch Grundsuppe genannt, sank nach unten. Der gute, dünne Tran diente vor allem für die Beleuchtung daheim und auf der Straße; weiterhin nutzte man ihn zur Speisezubereitung und auch zu Heilzwecken. Den geringen Tran benutzte man als Schmiermittel für Maschinen. Noch schlechtere, dickere Qualitäten dienten als Hundefutter oder Heizmaterial.

Während der ersten Jahrzehnte des historischen Walfangs wurde nur der Speck der Beutetiere genutzt. Ein später um so mehr geschätztes Produkt der Waljagd waren die Barten, an Land "Fischbein" genannt. Diese Barten sind die aus bestem Horn bestehenden Elemente des gewaltigen Filterapparats im Maul der Bartenwale. Im Gegensatz zu den Zahnwalen (Pottwal, Delphin) sind sie mit einem engen Schlund versehen, durch das sie nur kleine Nahrungsbestandteile verschlucken können, wie z.B. "Krill". Das sind planktonische Krebse, die in unvorstellbaren Mengen vor allem in den arktischen Meeren leben. Die Barten wachsen im Oberkiefer an jeder Seite des Gaumens und erreichen eine Durchschnittslänge von gut 3 Metern und eine Breite von etwa 30 Zentimetern. 400 bis 600 Barten hängen im Abstand von etwa 6 mm in die Mundhöhle hinab. Hier bilden sie allesamt ein gewaltiges Sieb in dem Nahrungsbestandteile hängen bleiben, nachdem die zuvor mit ihnen aufgenommenen Wassermassen aus dem nunmehr halbgeschlossenen Maul wieder herausgepresst worden sind.

Um die Barten zu gewinnen, fuhr man mit einer Schaluppe ins geöffnete Maul hinein und brach die Barten heraus. Für die weitere Bearbeitung wurden sie von Fleisch und Blut gesäubert und nach Größe gebündelt. So kamen sie in die Fischbeinreißereien auf dem Festland. Hier wurden die Barten, jetzt Fischbein genannt, 2 Stunden lang im Wasser gekocht. Dann wurden sie gehobelt und zerteilt. Die abfallenden feinen Späne fanden Verwertung als Ersatz für Rosshaar bei der Polsterung von Sesseln und Sofas. Aus den Barten fertigte man u.a. Korsettstangen, Schirme, Knöpfe, Peitschenstiele, Lineale, Hutschachteln, Kämme, Koffer und sogar Blattfedern für Kutschen.

Ende des 18. Jahrhunderts brach der Markt für Fischbein zusammen: Die Mode hatte sich gewandelt. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts kam Petroleum als neues Leuchtmittel auf den Markt; es verdrängte innerhalb weniger Jahre den Tran. So endete die Zeit des klassischen Walfangs nach etwa 200 Jahren.

Text: Harald Nissen, Süderende auf Föhr

Tipps:
Die Ferring Stiftung führt ein umfangreiches Archiv mit Literatur, Schriften, Bildmaterial.
Die Vortragsreihe Wal und Mensch informiert umfassend zum Thema.