
Hualewjonken Olersem
Hualewjonken Olersem im Wandel der Zeiten
Das Hualewjonken (wörtlich übersetzt: Halbdunkeln) ist eine Vereinigung konfirmierter und unverheirateter junger Männer, die noch nicht das 30. Lebensjahr vollendet haben. Mit der Verlobung oder dem Erreichen des 30. Lebensjahres scheidet man als Mitglied aus und erlangt die Ehrenmitgliedschaft. Ehrenmitglieder sind bei den Versammlungen gern gesehene Gäste, haben aber kein Stimmrecht mehr bei den Sitzungen.

Die Anfänge unserer Vereinigung stammen mit größter Wahrscheinlichkeit aus der Zeit um
1800 (ca. 1770 bis 1810). Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen datieren sich allerdings erst auf den 13.
April des Jahres 1881. Aufgrund dessen feiern wir heute noch am 13. April den Stiftungstag des Hualewjonken
Olersem. Ein Indiz dafür, daß unsere Vereinigung schon vom jenem Datum bestimmt existierte, gibt nach
unserer Ansicht die Bekanntmachung der Westerlandföhrer Birkvogtei vom 10. Oktober 1856 - die wir an anderer
Stelle näher beschrieben haben.
Aber nun zurück zu den Anfängen. Wenn die Föhrer Walfänger im
September/Oktober von Ihren Reisen zu den Fanggründen in die Gewässer vor Grönland und Spitzbergen zurück
kehrten, trafen sich die unverheirateten jungen Männer, die nicht zu Hause Weib und Herd besaßen, täglich im
Dorf. Meist zwischen fünf und sieben Uhr abends, im Halbdunkeln eben, denn Tags über büffelte man mit dem
Pastor oder einem alten Kommandeur Navigation und Sternenkunde. Um später eine höhere Position an Bord zu
erreichen.

Aus diesen doch zwanglosen Zusammenkünften wurde schon bald eine feste Institution und man
nannte sie der Tageszeit entsprechend Hualewjonken (Halbdunkeln). Man trafe sich damals noch täglich. Der
Grund war ziemlich einfach. Wer von den jungen Männern wollte denn die wenigen Abende in der Heimat mit den
Eltern und Großeltern im Wohnzimmer verbringen? Sie suchten Kontakt zu gleichaltrigen. Nach einigen Jahren
mietete man sich sogar ein Vereinszimmer an, meist bei einem älteren Ehepaar oder einer älteren Frau die in
Ihrem Haus ein Zimmer leer stehen hatten. Man"n" verbrachte die Abende in entspannter Atmosphäre
bei unterhaltenden und interessanten Gesprächen über erlebte Reisen und Eindrücke.
Wenn man bedenkt in
welcher Zeit dies geschah, war ein sehr großer Aspekt sicher auch Licht und Energie zu sparen, denn nicht
alle Seefahrer waren reiche Kapitäne, Kommandeure, Navigatoren oder Steuermänner!

Als die goldene Walfangzeit Ende des 18. Jahrhunderts langsam ausklang, wechselten viele
zur Handelsmarine, die sie oft Jahre lang von der Heimat fort führte. Aber auch die Kauffahrtei kam durch
die napolionischen Kriege und die Kontinentalsperre gegenüber Großbritannien fast vollends zum erliegen, und
die friesischen Seefahrer wurden wie ehedem wieder Bauern oder wandten sich später wieder der
Handesschiffahrt zu. In dieser Zeit entstand ein anderes Hualwejonken.
Da die Landwirtschaft viele
Männer zeitlich sehr beanspruchte, konnten sie zu der bisherigen Zeit nicht mehr erscheinen. Man einigte
sich schnell darauf die Zusammenkünfte erst ab acht Uhr abends stattfinden zu lassen. Bei dieser Uhrzeit ist
es bis heute geblieben. Ferner beschlossen die Mitglieder sich nur noch einmal in der Woche, am Freitag, zu
treffen. Bestimmt auch aus dem oben genannten Grund und außerdem sah man sich unter der Woch sicher öfter.
Anfangs hatte fast jeder Ort auf Föhr-Land ein eigenes Hualwejonken. Heute existieren nur noch die von
Alkersum, Borgsum, Oevenum und Oldsum.
Ütjschiten
Da das Ausschießen immer recht spontan geschieht, liegen uns leider nur selten Bilder vor. Diese Photographien aus dem Jahre 1947 zeigen das Ausschießen von Enken und Julius Nickelsen in Oldsum.

Die jungen Männer des Dorfes belagern sämtliche Ausgänge des Hauses in dem sich das Paar befindet. Der Mann mit dem Gewehr gibt ein bis zwei Schüsse ab, und das junge Paar wird gebeten heraus zu treten.

Das Paar in der Tür, die jungen Leute vor dem Haus. Die Überraschung ist geglückt! Die entscheidende Frage, bezüglich der Ehrlichkeit seiner Absichten hat er glücklicherweise mit "Ja!" beantwortet. Das Paar hat ihr Glück angenommen und ist mit Anbruch des nächsten Tages verlobt. Es herrscht eine gelöste und lustige Stimmung.

Das Paar ist vors Haus getreten und der Bräutigam gibt für die versammelten jungen Männer einen Umtrunk aus. Meistens bleibt es nicht bei einem Glas.
Das Ausschießen wird heute noch regelmäßig durchgeführt. Eines der prominentesten "Opfer" war ein Pastor der St. Laurentii Kirche in Süderende, der vollkommen überrascht reagierte. Er hatte allerdings genügend Humor um diesen Spaß mit zu machen. Den "Wink" zum Ausschießen erhielt das Hualewjonken von einem der Mitglieder des Kirchenvorstands. Selbst der Pastor bleibt von unseren Traditionen nicht verschont.
Die Statuten
Wie jeder Verein hat auch das Hualewjonken Olersem seine eigenen Regeln und Bestimmungen. Zum ersten mal erschienen diese am Anfang des zweiten Protokollbuches, datiert auf den 1.September 1904. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gab es diese Statuten schon vor jenem Datum, sie werden im ersten Protokollbuch allerdings nicht näher erwähnt. Diese Statuten haben sich natürlich durch die Jahrzehnte immer wieder der wechselnden Zeit angepaßt. Unverändert geblieben sind bis heute, sieht man von Umformulierungen und eben zeitgemässen Änderungen ab, die Punkte I - IV. Die hier aufgelisteten Statuten entsprechen der "Urform" vom 01. September 1904.
Bestimmungen ueber das Halbdunkeln
I.
Der Zweck des Halbdunkeln besteht darin, die Winterabende in gemeinschaftlicher Weise
durch Kartenspiel oder Erzaehlung zu verbringen.
II.
Ein junger Gast wird Mitglied des
Halbdunkeln in dem er 0,50 RM an die Kasse zahlt.
III.
Die Rekrutenwerden aus dem jüngsten
Jahrgang gebildet. Dieselben haben den alten Leuten gegenüber ein ordentliches Betragen zu befleißigen und
denselben kleinere Dienste zu erwesen, zum Beispiel: Wasser holen und bei festlichen Gelegenheiten; als
Verlobungen und Hochzeiten, wo geflaggt wird; Pontern Spieren und Taue herbei zu schaffen. Im Falle, daß die
Zahl der Rekruten gering ist, kann auch der vorhergehende Jahrgang zu solchen Diensten bestimmt
werden.
IV.
Vergeht sich ein Rekrut gegen einen Älteren, so hat er eine Strafe von 0,50 RM zu
zahlen. Im Wiederholungsfalle 1,00 RM und kommt es dennoch wieder vor, so wird er aus dem Hualewjonken
verwiesen. Ist kein Platz mehr im Halbdunkeln zum sitzen und kommt ein Alter herein, dann haben die Rekruten
aufzustehen um Platz zu machen. Ausserdem haben sie immer bei der Tür zu sitzen.
V.
Bei etwaigen
Abstimmungen haben die Rekruten nicht mitzustimmen, ihr Stimme gilt gleich Null. Bei Stimmengleichheit
entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
VI.
In der Zeit vom 1. September bis zum 1. Mai wird
eine Stube gemietet, wofür von jedem Gast 0,50 RM pro Monat gezahlt wird. Außerdem muß Licht vom Verein gehalten
werden. In dieser Stube hat sich ein jeder anständig zu betragen.
VII.
Derjenige, der in Tische
und Bänke schneidet oder sonst etwas beschädigt, hat eine Strafe von 1,00 RM an die Kasse zu
zahlen.
VIII.
Es sind vom Verein zwei neue Flaggen angeschafft worden, welche möglichst zu
schonen sind. Bei schlechtem Wetter im Regen oder Sturm dürfen dieselben garnicht hinaufgezogen werden. Im
Falle, dass der Regen nachher eintritt, müßen sie sogleich herunter gezogen werden und zwar von demjenigen, der
dem Haus am nächsten wohnt, derselbe hat sie auch wieder zu trocknen, fals sie naß geworden sind. Wenn dieselben
nicht im Gebrauch sind, so muss sie jemand in Verwahrung nehmen, derselbe wird alljährlich durch
Stimmengleichheit gewählt.
IX.
Ist ein Gast dreimal im Halbdunkeln gewesen, so hat er die 0,50
RM zu zahlen; verweigert sich einer, die Miete zu bezahlen, so wird demselben die Tür gewiesen und er hat nicht
mehr zu erscheinen.
X.
Alle verlobten Gäste, die das Halbdunkeln dreimal eines jeden Monats
besuchen, haben ebenfalls die Miete zu zahlen.
XI.
Derjenige, der Flaggenstangen mit aufsetzen
hilft, muss auch beim herunternehmen zugegen sein. Wer ohne genügende Entschuldigung weg bleibt, hat eine Strafe
von 0,50 RM an die Kasse zu zahlen.
XII.
Verweigert ein Mädchen irgend einem Gast, ob er
Mitglied des Hualewjonken sei oder nicht, sofern er anständig ist, einen Tanz, so wird dieselbe zu einem Arrest
verurteilt. Die Dauer des Arrestes wird im Halbdunkeln bestimmt.
XIII.
Wenn ein Mädchen der
Einladung eines Gastes zu Punsche Folge leistet und sich von demselben nicht nach Hause begleiten laesst,
sondern sich eigenmächtig entfernt, wird ebenso verurteilt wie im vorhergehenden Paragraph.
Erläuterungen:
1) junger Gast, Gast = junger Mann, Mitglied des Hualewjonken
2)
Rekruten = juengster Mitgliedsjahrgang
3) Spieren und Taue = Hilfsmittel bei Flaggenstangen
4) Pontern
= der Flaggenmast
5) Arrest = wird bei Tanzveranstaltungen nicht aufgefordert (geschnitten).
Bekanntmachung der Westerlandföhrer Birkvogtei von 1856
Aus der Mitte des 19.Jahrhunderts ist uns folgendes Dokument erhalten geblieben. Zwar wird hier das Hualewjonken nicht namentlich erwähnt, wir können aber davon ausgehen, dass unser Verein nicht ganz unbeteiligt war. Mit größter Wahrscheinlichkeit kann aber davon ausgegangen werden, dass hier übertrieben berichtet worden ist. Man braucht sich nur einmal die Nachrichtenlage von damals vor das geistige Auge halten. Bis die Nachricht über eine Begebenheit von Oldsum (im Text: Langdorf) nach Nieblum (Sitz der Birkvogtei) gelangt war vergingen sicher einige Tage, und jeder, der die Geschehnisse weitertrug, dichtete etwas dazu.
Nachfolgend lesen Sie hier den vollen Wortlaut der Bekanntmachung:
Der Birkvogtei ist bekannt geworden, wie in mehreren Häusern verschiedener Dörfer etliche der Eingesessenen, besonders junge Leute, des Abends zusammenkommen und bis in die Nacht hinsitzen, einzig und allein um starke Getränke zu genießen und zu zechen Solches als nur der Fleischeslust fröhnend, unsittlich und zu allerlei Unfug und Unordnung führend, wird, den Polizeigesetzen gemäß, hiermittels gänzlich verboten und wird im Übertretungsfalle der Eigenthümer solchen Hauses mit einer bedeutenden, und einjeder Theilnehmer der Zeche mit einer kleineren Brüche bestraft, welche Brüche im Wiederholungsfalle erhöht werden. Die Bauernvögte haben darüber zu wachen, daß in der Zukunft keine solche Zechen, besonders nach 10 Uhr, stattfinden und im Übertretungsfalle den Schuldigen den unverzüglich der Birkvogtei anzugeben.
Westerlandföhrer Birkvogtei, den 10. October 1856
Trojel
Durch Laufzettel im Langdorf
bekannt zu machen.
Erläuterungen zum Text:
Birkvogtei: Entspricht etwa einer heutigen Amtsverwaltung, wobei der damalige Amtsvorsteher (Birkvogt) kein gewählter Mann war, sondern vom dänischen König bestimmt wurde. Es kann davon ausgegangen werden, das einige in dieser Position doch sehr willkürlich geherrscht haben. Brüche: Hiermit sind im allgemeinen Geldstrafen und Bußgelder gemeint.